Man muss „die Lektion des Platzregens“ verstehen. Wenn man von einem plötzlichen Schauer überrascht wird, rennt man die Straße hinunter, von Dachgesims zu
Dachgesims, um nicht nass zu werden. Wenn man es aber einmal als natürlich hingenommen hat, dass man im Regen nass wird, wird der Geist nicht erschüttert, obwohl man bis auf die Haut durchnässt wird.
Dieses Verständnis gilt für alles.
Aus Hagakure – Der Weg des Samurai von Yamamoto Tsunemoto; 17. Jahrhundert)
Dieses Zitat aus dem Hagakure veranschaulicht auf treffliche Weise eine der ersten Lektionen, die ein Schüler des Karate-Dô lernt. Die Kampfkünste, besonders wenn man sie als Weglehren begreift,
kennen keine Abkürzungen. Wer eine Kampfkunst erlernen will - gleich aus welchen Motiven - muss sich damit abfinden, „nass zu werden“. Sobald er Versprechungen glaubt, die ihm ein angeblich
schnelleres, effizienteres und mit weniger Anstrengungen verbundenes Erlernen ermöglichen sollen, wird sein Scheitern ziemlich wahrscheinlich. Es ist davon auszugehen, dass er schon relativ bald
enttäuscht aufgeben und nie ein Verständnis dafür entwickeln wird, was die Kampfkünste wirklich sein können.
Auch unter dem für viele Übende wichtigen Aspekt der Selbstverteidigung sollte man nicht verkennen, dass die Frage, ob man aus einer solchen Situation „heil“ herauskommt, wahrscheinlich erst in
zweiter Linie von technischem Können abhängt. Wer die „Grundlagen“ nicht erlernt hat, wer also nicht „nass“ geworden ist, dem wird Technik in einer echten Gefahrensituation, in der es vor allem auf
Ruhe und die Kontrolle der eigenen Emotionen ankommt, vielleicht sogar nur wenig nützen.
Karate_Dô wa rei ni hajimari, rei ni owaru koto wo wasuruna
Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.
Gichin Funakoshi
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